Am Ende werden aus kleinen Freunden große ( erschienen in der FAZ unter „Jugend schreibt“)

Auf dem großen Holztisch liegt ein dickes Buch mit dem Titel „Träumen“. In ihrem Wohnzimmer erzählt Anke Teigelkötter von ihren Erlebnissen als Hospizbegleiterin.
Die 55-Jährige mit den silbernen Haaren aus Aschaffenburg hatte selbst Krebs und wurde dadurch mit dem Thema konfrontiert – auch durch den Kontakt mit anderen kranken Menschen, die den Kampf gegen ihre Krankheit verloren. „Die Endlichkeit rückt in so einer
Zeit näher“, sagt sie mit bedächtigem Blick. Die Motivation, selbst im Bereich der Palliativbegleitung tätig zu werden, kam nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer Krebstherapie auf. So schloss sie sich der Hospizgruppe Aschaffenburg e.V. an und machte eine Ausbildung zur
Hospizbegleiterin. Die Gruppe wurde 1993 gegründet und gehört mit ihren rund 300 Mitgliedern zu den ungefähr 80 000 Menschen, die sich in Hospizen engagieren.
Vor der Ausbildung steht ein Bewerbungsgespräch, bei dem unter anderem die eigene Fähigkeit und Motivation, sterbenskranken Menschen beizustehen, besprochen und beurteilt wird. Es folgen eine 30-stündige Praxisphase sowie einige Seminare, in denen man lernt, mit
schwierigen Situationen und den betroffenen Menschen umzugehen. Viel Wert wird auf die Selbstfürsorge gelegt, da für die Begleiter das Wissen belastend sein kann, dass ihr Gegenüber wahrscheinlich nicht mehr lange lebt. Die Aufgaben der Ausgebildeten liegen nicht in der
Pflege der Kranken, sondern im „Da-Sein“, im Begleiten. Oftmals sitzen sie nur neben den Patienten, führen ein Gespräch und hören ihnen zu. „Die Hospizbegleiter bringen Zeit
mit“, erklärt Teigelkötter. Wie die Patienten auf die Helfer reagieren, hängt von der Persönlichkeit ab.
Manche sind verschlossen und brauchen Zeit, um sich den ihnen fremden Begleitern anzuvertrauen. Wieder andere sind sofort dankbar und offen. Die Hospizbegleiterin erzählt von einer Frau, die ihr gleich am Anfang sagte, dass sie gerne noch bleiben würde, eine andere
hatte bereits mit ihrem Leben abgeschlossen und war damit im Reinen, dass es nun zu Ende ging. Für viele ist die größte Sorge, ihre Angehörigen zu verlassen. Je nachdem, wie
die Patienten ihr Schicksal annehmen, ist die Begleitung mehr oder weniger belastend.
Das Ziel ist es, unheilbar Kranken bis zum Ende ein würdevolles Leben zu ermöglichen, auch durch die Erfüllung von persönlichen Wünschen. Teigelkötter erzählt von einem sterbenden Mann, dessen Traum es war, noch einmal eine bestimmte Sorte Kakao aus einem Café in Frankfurt zu trinken. Sie selbst hat dafür gesorgt, dass die Mitarbeiter diesen Kakao zu dem
Mann nach Hause schickten. Das beeindruckendste Erlebnis war die Begegnung mit einer krebskranken Frau, die gerade in einer sehr schlechten Verfassung war. Sie hatte Atemnot, Angst und konnte nicht einmal mehr sprechen. Durch eine zweistündige Betreuung mit
Berührungen an der Hand, ruhigem Sprechen und Atemübungen wurde die Frau immer ruhiger. „Am nächsten Tag ging es ihr besser, und sie sagte, sie wünscht mir, dass mir auch mal
jemand so hilft.“
Michelle Thomas
Karl-Theodor-v.-Dalberg-Gymnasium
Aschaffenburg
Am Ende werden aus kleinen Freuden große ( Quelle:  FAZ unter „Jugend schreibt“)